Das kürzeste Gebet ist ein Staunen
Ah! Oh! Ein staunender Ausruf kann schon ein Gebet sein. Manchmal reicht sogar ein Atemzug. Staunen ist ein Geschenk. Und es lässt sich trainieren. Schöpfung wahrnehmen. Musik hören. Kinder dabei beobachten ist ebenso hilfreich.
„Do hon i gmerkt, dass do no ebbes isch“, schreibt der Karseer Theologe Fridolin Stier. Staunen ist eine Antwort auf das Atemholen Gottes. Sein Atem durchdringt die Welt nicht mit Macht. Seine Sprache ist die Sprache des Segnens, die die Perspektive aufs eigene Leben ver-rückt. Für die Autorin Giannina Wedde ist Segen der Atem Gottes. „Zu schenken, was wir nicht besitzen, zu beheimaten, was nie aufhört zu reisen, zu sehen, was sich nie unverhüllt zeigt.“ (In deiner Weite lass mich atmen. Segensworte für die Lebensreise; Vier-Türme-Verlag).
Ich glaube, dass Menschen danach suchen. Im Alltag wie im Urlaub und auf Reisen. In der Trauer, wie in der Freude. Spirituelle Orte wie unsere Kapellen sind Orte, die Menschen dabei auf-suchen. Es sind auch Gottesdienste und Kirchenmusik, die einladen. Gastfreundliche-Kirche-Sein heißt: erreichbar sein und zuhören können; Räume für Unterbrechungen offenhalten; mit Kunst oder Musik “den Himmel” öffnen, um das eigene Leben als gesegnet erfahren.
Dafür entsteht im Allgäu gerade das Netzwerk allgäusegen mit einzelnen Projekten (www.allgaeusegen.de). Es ist nicht an eine Kirchengemeinde gebunden und vernetzt dabei zwischen den Orten des Allgäus. Die eine Aufgabe ist es, das sichtbar zu machen, was es schon gibt. Dazu gehört zweitens das Experimentieren mit dem, was noch sein könnte. Das Netzwerk ist Teil kirchlicher und gesellschaftlicher Veränderungen, bei denen das eine nicht ohne das andere geht. Mitgliedschaft verändert sich und immer mehr Menschen sind in den Kirchen zu Gast - die Sehnsucht bleibt. Zugehörigkeit und Gastfreundschaft sind zwei Seiten einer Medaille. Menschen suchen Unterbrechung oder Stille; sie gehen pilgern, sie machen eine Rast, wollen einfach nur ungestört sein; oder sie sind neugierig oder haben große Fragen im Gepäck. Das können Urlauber genauso sein, wie Einheimische.
Gastfreundliche Kirche braucht beides: die Zugehörigkeit, die klassisch unsere Kirchengemeinden prägt, ergänzt durch vernetzte Angebote, in denen Menschen “mehr” erfahren können. Mehr erfahren? Zum Beispiel „die Weite eines Versprechens sein, einer frohen Botschaft, die allen gilt.“ (Wedde) Spürbar wird‘s im Segen.
Benjamin Sigg